Bauindustrie ist Haupttreiber für den Klimawandel
We-Building engagiert sich nicht nur für den Bau von Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden in Afrika und Lateinamerika, sondern leistet auch Bildungsarbeit rund um Nachhaltiges Bauen.
Warum?
Weil noch viel zu wenig Menschen wissen, dass konventionelles Bauen und eine nicht-nachhaltige Nutzung von Gebäuden weltweit zu gravierenden Problemen für Mensch und Umwelt führt.
Wenn wir den 2022 Global Status Report for Buildings and Construction der Vereinten Nationen zitieren und erklären, dass die Bauindustrie für 38 % des C02-Ausstoßes verantwortlich ist – die Flugindustrie dagegen nur für 3 % – dann sind die meisten sehr erstaunt. “Das wusste ich nicht” ist die häufigste Reaktion. Oft gefolgt von: “Aber da kann wohl nix machen, Häuser braucht man ja”.
In der Tat: Wir alle brauchen ein Dach über dem Kopf. In unserer Klimazone ganz besonders: 90 % unser Zeit verbringen wir in Räumen (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, 2020). Wohnen, Lernen, Arbeiten, zusammen kommen – Spaß haben – sich begegnen – das wollen 8 Milliarden Menschen auf der Welt. Und das braucht Räume. In Zukunft immer mehr. Aber “nix machen” stimmt zum Glück nicht.
Das wäre auch fatal, denn:
Die Bauwirtschaft
• Ist Haupttreiber für den Klimawandel aufgrund des höchsten CO2-Ausstoßes aller Industriezweige (United Nations Environment Programme, 2022)
• Ist verantwortlich für einen enorm hohen Verbrauch an Rohstoffen und zu hohe nicht-recycelte Abfallmengen mit Schäden für das Leben an Land (Ökosysteme, Biodiversität)
• Geht durch den Bauboom vor allem in entwickelten Ländern und die Bedarfe reicher Bevölkerungsgruppen zu Lasten von armen Bevölkerungsgruppen vor allem im Globalen Süden und zieht u.a. Menschenrechtsverletzungen, Ernährungsunsicherheit, Energie-Ungerechtigkeit nach sich
• Verbraucht bei Herstellungsprozessen, aber auch bei der Nutzung von Gebäuden sehr hohe Mengen an Strom, Wasser, Heiz- und Kühlenergie überwiegend aus fossilen Energiequellen, mit negativen Auswirkungen auf das Klima, die den Globalen Süden besonders hart treffen (Dürren, Stürme, Überflutungen und ihre negativen gesundheitlichen Folgen)
Bauboom und Klimawandel
All diese Probleme bestehen bereits seit vielen Jahren. Verschärft wird die Lage durch ein steigendes Baugeschehen. Die Baubranche boomt. Allein in Deutschland arbeiten im Bauhauptgewerbe und Ausbaugewerbe rund 2,5 Millionen Menschen – in mehr als 330.000 Betrieben. (Statistisches Bundesamt, 2020) Und selbst im Corona-Jahr 2020 haben die 100 weltweit größten börsennotierten Bauunternehmen 1,5 Billionen US-Dollar umgesetzt und wuchsen demnach um 3,7 Prozent.
Die höchsten CO2-Emissionen gehen auf das Konto von Zement und Stahl. Zement – das Bindemittel im Beton – verursacht bei der Herstellung 8 % des Treibhausgas-Ausstoßes. An Alternativen wird geforscht, doch noch ist keine der Technologien erprobt und einsatzbereit sowie erschwinglich für den weltweiten Markt. Rund ein Drittel des Stahls wird für den Bausektor produziert. Im Stahlbeton gehört er zu den am häufigsten eingesetzten modernen Baumaterialien. Hinzu kommt der Einsatz von Stahlträgern und Blechen. Die enorm hohen Temparaturen beim Stahl kochen mit fossilen Brennstoffen, aber auch chemische Reaktionen beim Mischen von Eisenerz mit Koks verursachen rund 10 % der weltweiten CO2-Emissionen. Weil beim Bauen nicht komplett auf Stahl verzichtet werden wird, spielen emissionsarme Brennstoffe und bei der Suche nach “grünem Stahl” eine wichtige Rolle.
Der hohe Verbrauch an Beton führt in vielen Regionen der Welt dazu, dass die Beton-Grundstoffe Sand und Kies in der benötigten Menge und Qualität knapp werden. Der stetige Abbau von Sand und Kies wirkt sich auf die Biodiversität aus, kann Gewässer und Grundwasser verunreinigen, den Wasserspiegel und die Landschaft verändern. In Indonesien hat der Sandabbau bereits zum kompletten Verschwinden einiger Inseln geführt. Das Sand-Mining in chinesischen und afrikanischen Flussbetten führt dazu, dass Flüsse austrocken und Bäuerinnen und Bauern vertrieben werden.
Der weltweite Bauboom (vor allem in China, USA und anderen Industrieländern) wird derzeit noch überwiegend mit konventionellen Baumaterialien umgesetzt (Beton und Stahl). Damit werden Umweltverschmutzung und Klimawandel vorangetrieben. Laut der U.S. Census Bureau wurden in 2020 über 822,000 neu gebaute Einfamilienhäuser verkauft. Der Neubau von Einfamilienhaus-Siedlungen auf neu erschlossenem Land am Rand von Großstädten bedeutet, dass für einige Privilegierte mit hohem Aufwand neue Infrastruktur (Strom, Wasser, Abwasser, Straßen usw.) angelegt wird, Abholzungen stattfinden, und Biodiversität zerstört wird.
Die Traumhaus-Wünsche von wohlhabenden Bevölkerungsschichten löst eine Kette an problematischen Folgen aus. Einfamilienhäuser sind besonders umweltschädlich, weil sie große bisher unbebaute Bodenflächen beanspruchen. Die zunehmende Versiegelung der Böden bewirkt, dass der Boden das absickernde Wasser nicht mehr filtert, wodurch es langfristig an Grundwasser mangelt und bei Starkregen zu Überschwemmungen kommen kann. Das Lokalklima heizt sich auf.
Übernutzung von Ressourcen und Bodenflächen
Der Bausektor verbraucht enorm viele Rohstoffe – rund 50 % der Rohstoff-Entnahmen aus der Natur gehen auf das Konto der Bauwirtschaft. Dadurch werden Umwelt und Klima weltweit belastet – im Globalen Süden überproportional stark.
Auch 50 % der Mengen, die in Deutschland an Abfall entstehen (u.a. durch Abriss) gehen auf das Konto der Bauwirtschaft. Abbruchmaterialien werden – wenn überhaupt – in minderwertiger Art und Weise wiederverwertet und ein Großteil wird zu nicht verwertbarem Abfall, der die Böden belastet.
Der Bausektor ist bei der Herstellung verschiedener Baumaterialien auf Rohstoff-Importe aus dem Globalen Süden angewiesen. Die Rohstoff-Gewinnung hat zum Teil äußerst negative Auswirkungen auf die Menschen und ihre Umwelt. Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung mit gravierenden Auswirkungen für die Gesundheit der Menschen dort sind die Folge.
Zum Beispiel Kupfer – dieses Metall wird u.a. für Dächer und Dachrinnen, Fassaden, Rohre für Leitungswasser und Heizsysteme benötigt. Einer der größten Kupferproduzenten der Welt ist Sambia. Der Kupferbergbau in dem rohstoffreichen, aber sehr armen Land im südlichen Afrika bietet zwar Einnahmen und Arbeitsplätze, aber hat auch starke negative Auswirkungen auf Umwelt und Menschenrechte. Gemeinden in der Nähe von Minenstandorten haben mit schlechter Wasserqualität und daraus entstehenden gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Im Rahmen der Errichtung von neuen Minen kommt es immer wieder zu Zwangsumsiedlungen und zur Zerstörung der lokalen Landwirtschaft. Das wirkt sich negativ auf die Ernährungssicherheit in den Gemeinden aus. Bäuerinnen und Bauern erhalten durch die Verschmutzung von Boden und Wasser geringere Erträge oder verlieren ihre Existenzsicherung durch Zwangsumsiedlungen gänzlich.
Überproportional hoher Energieverbrauch
Bauen verbraucht viel Energie. Die Energie für Produktionsprozesse und Transporte in der Bauwirtschaft sowie Strom, Heiz- und Kühlenergie für die Nutzung von Gebäuden wird überwiegend aus fossilen Energiequellen gewonnen. Die „graue Energie“, die u.a. bei der Herstellung, beim Transport oder bei der Lagerung von Baustoffen entsteht, ist enorm.
Der CO2-Austoß wird überproportional im Globalen Norden verursacht, die Folgen (darunter Dürren und Hungersnöte) treffen aber den Globalen Süden besonders stark.
Ein Beispiel: die EU-Länder und Nordamerika, vor allem die USA, verursachten 2021 rund 35 % der globalen CO2-Emissionen. Dagegen ist der gesamte afrikanische Kontinent nur für 3,6 % verantwortlich. (Ritchie et al., 2020) Deutschland liegt bei rund 2 %. Beim durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch von Kohlenstoffdioxid liegt Deutschland weit vorn. 2020 hat hierzulande jede/r der 83 Millionen Einwohner/innen durchschnittlich 11.6 Tonnen CO2 verbraucht. In der Demokratischen Republik Kongo mit 86 Millionen Einwohner/innen waren es nur 0,04 Tonnen.
Das war ein Einblick in die schweren Schäden für das Klima, für Menschen und Umwelt, die durchs Bauen ausgelöst werden. “Da kann man nix machen” stimmt wie gesagt zum Glück nicht. Was kann man machen – was wird schon gemacht, um Bauen klimafreundlicher zu gestalten? Darum wird es in dem Blogpost “Klimafreundliches Bauen ist möglich” gehen.
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Quellenangaben
Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen. (2020). Bauen für eine bessere Welt. https://www.dgnb.de/de/aktuell/pressemitteilungen/2020/dgnb-report-sdgs
Key figures in the construction industry, 2020. (2020). Statistisches Bundesamt. https://www.destatis.de/EN/Themes/Economic-Sectors-Enterprises/Construction/Tables/key-figures-construction-industry.html
United Nations Environment Programme. (2022). 2022 Global Status Report for Buildings and Construction: Towards a Zero‑emission, Efficient and Resilient Buildings and Construction Sector. Nairobi. https://globalabc.org/our-work/tracking-progress-global-status-report
US Census Bureau. (2022). New residential sales. https://www.census.gov/construction/nrs/index.html
Ritchie, H., Roser, M., & Rosado, P. (2020). CO₂ and greenhouse gas emissions. Our World in Data. https://ourworldindata.org/co2-and-greenhouse-gas-emissions